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Archivdateien und Filesharing - Abmahnungen regelmäßig fehlerhaft

Immer wieder muss ich mich in meiner anwaltlichen Praxis mit einem alten Fall aus 2013 beschäftigen, weil meinem Mandanten regelmäßig ein angeblich unschlagbares Vergleichsangebot unterbreitet wird. Mein Mandant denk jedoch gar nicht daran, hierauf einzugehen. Inzwischen ist Verjährung eingetreten und der Fall wohl endgültig zur Ruhe gekommen.

In 2013 hat mein Mandant angeblich einen Sampler aus einem peer-to-peer-Netzwerk herunter geladen. Der Sampler, bestehend aus einer Vielzahl von ins mp3-Format gepackter Musiktitel, war als .rar-Datei gepackt angeboten worden. Die inzwischen insolvente Firma FDUDM2 machte wegen einer enthaltenen Musikdatei gegen meinen Mandanten einen Urheberrechtsanspruch geltend, forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und verlangte Schadenersatz sowie Anwaltskosten.

Mir kamen jedoch erhebliche Zweifel, ob tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung eingetreten ist oder diese jedenfalls im erforderlichen Umfang vom Rechteinhaber dokumentiert worden war.

Üblicherweise beauftragen Unternehmen, die sich mit urheberrechtlich geschützten Werken befassen, Dienstleister mit der Überwachung von Filesharingplattformen. Werden Dateien gefunden, die ein urheberrechtlich geschütztes Werk des Auftraggebers beinhalten, wird diese Datei heruntergeladen um positiv festzustellen, dass das urheberrechtlich geschützte Werk tatsächlich enthalten ist. Die Datei wird über einen Hash-Wert eindeutig identifiziert. Sodann werden alle IP-Adressen mitgeschrieben, die diese Datei ebenfalls herunterladen. Nachdem der Nutzer über seine IP-Adresse identifiziert wurde, wird er abgemahnt.

Beim Herunterladen einer Archivdatei genügt dieser Aufwand zur Dokumentation einer Rechtsverletzung indes nicht. Hier muss ein weiterer Aspekt hinzu treten, damit eine Urheberrechtsverletzung tatsächlich vorliegt.

Was ist die Besonderheit bei Archivdateien?

Gepackte Archivdateien sind nur verwendbar, wenn diese vollständig heruntergeladen wurden, da sie nur dann auch entpackt werden können. Eine Urheberrechtsverletzung kann daher überhaupt erst dann eintreten, wenn der Download der Archiv-Datei vollständig abgeschlossen war und die Datei zu diesem Zeitpunkt durch Bereithalten im entsprechenden Ordner des zum Herunterladen benutzten Programms wenigstens solange einer unbestimmten Zahl an Internetnutzern zur Verfügung gestanden hat, damit ein anderer die Datei ebenfalls vollständig herunterladen hätte können. Erst dann nämlich wäre die Archivdatei in einer Weise angeboten worden, dass andere Nutzer diese herunterladen, entpacken und so in den Besitz des geschützten Werkes kommen konnten.

Das Urheberrecht verbietet dem Verwender eines urheberrechtlich geschützten Werkes zwar bereits, dieses auch in Auszügen unberechtigt anderen zur Verfügung zu stellen, Und bei Filesharingsystemen werden schon während des Herunterladens die bereits heruntergeladenen Dateifragmente den anderen Systemnutzern zum Download zur Verfügung gestellt. Doch würde für eine urheberrechtlich relevante Nutzung des Werkes erforderlich sein, dass wenigstens eine irgendwie abspielbare Datei, auch wenn sie nicht das vollständige Werk beinhaltet, dem Internetnutzer zur Verfügung gestellt wird. Ist die Datei hingegen dem Archiv, in das sie eingebunden wurde, nicht entnehmbar oder die herunter geladene Datei aufgrund anderer, technisch bedingter Fehler nicht abspielbar, fehlt es also an einer effektiven Nutzungsmöglichkeit der heruntergeladenen Datei, kann auch die nur in einzelnen Dateifragmenten erfolgte Preisgabe im Internet die Urheberrechte des Rechteinhabers nicht verletzen.

Dass unbrauchbare Dateifragmente, die für sich alleine nicht nutzbar sind, keine Urheberrechtsverletzung begründen können, haben schon 2011 Solmecke/Bärenfänger in "Urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Dateifragmenten", MMR 2011, 567 ff., vertreten. Das Landgericht Frankenthal teilt diese Rechtsauffassung und hat mit Urteil vom 22.07.2016 (Az.: 6 S 22/15) eine Urheberrechtsverletzung beim Herunterladen unbrauchbarer Dateifragmente verneint. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Frankenthal, das schon in seinem Urteil vom 30.09.2014 (Az.: 6 O 518/13) auf den Aufsatz von Solmecke/Bärenfänger verwiesen hat.

Damit kann im begonnen Herunterladen einer gepackten Archivdatei für sich noch keine Urheberrechtsverletzung zu erblicken sein, denn dann, wenn die urheberrechtsverletzende Datei in ein gepacktes Archiv eingebunden ist, wird die betroffene Datei selbst erst zugänglich, wenn über das gesamte Archiv verfügt werden kann. Die Rechtslage ist einem solchen Fall gänzlich anders zu beurteilen, als beim Herunterladen von einzelnen Musikdateien im mp3-Format oder Filmen in DivX-, MPEG oder AVI-Containern. Diese Dateiformate sind auch in Fragmenten abspielbar. Es kommt hier gerade nicht darauf an, dass die Datei vollständig heruntergeladen und währenddessen anderen Nutzern in stetig wachsender Größe zum Download angeboten wurde.

Bei gepackten Archiven bietet der Filesharingnutzer im Internet, solange die Datei nicht vollständig bereitgehalten wird, lediglich unbrauchbaren "Datensalat" an. Darin jedoch kann keine Urheberrechtsverletzung zu erblicken sein, da das eigentlich geschützte Werk nicht zur Verfügung gestellt wird.

Das schließt die Urheberrechtsverletzung natürlich nicht per se aus. Aber damit eine solche vorliegt, muss der Download erfolgreich abgeschlossen worden sein und der Rechteinhaber auch genau diesen Umstand beweissicher dokumentieren. Das passiert in aller Regel nicht.

Bei einer Abmahnung ist also Besonnenheit gefordert. Auch wenn man sich "ertappt" fühlt heißt das nicht, dass der Rechteinhaber tatsächlich auch "Recht" hat. Gerade wenn eine Archivdatei herunter geladen wurde, kann Justitias Waage durchaus zugunsten des Abgemahnten ausschlagen.

Martin Becker
Rechtsanwalt und Mediator, Winfried Becker & Partner, Lemgo